Gestaltung kognitiver Schnittstellen und ausgewogene Nutzung von sozialen Medien
PROJEKTBESCHREIBUNG
In den letzten Jahren haben sich gesellschaftliche Diskurse über soziale Medien deutlich verändert. Während zu Beginn der 2010er Jahre das Potenzial von sozialen Medien wie Twitter oder Facebook hervorgehoben wurde, zu einer Demokratisierung von Gesellschaften beizutragen, wurden jüngst eher negative Phänomene ins Visier genommen. Als besonders kritisch wird beispielsweise angesehen, dass sich in sozialen Medien sogenannte Echokammern herausbilden, in denen Gleichgesinnte zu einem kontroversen Sachverhalt jeweils nur eine Sichtweise oder Meinung wiedergeben und gegensätzliche Informationen ausblenden, sanktionieren oder systematisch abwerten. Verschiedene Theorien legen die Vermutung nahe, dass eine solch einseitige Rezeption und Produktion von Informationen zur Entstehung besonders starker und extremer Einstellungen führen kann, was somit einen Nährboden bieten könnte für Radikalisierungen bis hin zu „hate speech“.
In diesem Projekt sollen zunächst reale Twitter-Accounts betrachtet werden, deren Autoren sich zu kontroversen Themen (z. B. innere Sicherheit) äußern. Dabei soll die Hypothese geprüft werden, dass die von einem Account verfassten Beiträge in ihrem sprachlichen Ausdruck umso extremer sind, je inhaltlich einseitiger der Account mit anderen Accounts und Followern verknüpft ist.
In einem zweiten Schritt sollen die Mechanismen, die zur Entstehung von Echokammern führen können, in laborexperimentellen Studien nachgestellt werden. Es soll geprüft werden, ob das Bereitstellen von Bewertungs-Tools in einer Schnittstelle (z. B. „Hochdaumen“) zu einer Radikalisierung von verfassten Tweets beitragen kann. Außerdem soll die Rolle der Anonymität untersucht werden.
Im dritten Teil des Projekts werden aus sozialpsychologischen Theorien heraus Maßnahmen abgeleitet werden, um Mensch-Computer-Schnittstellen so zu gestalten, dass Informationen ausgewogen wahrgenommen, verarbeitet und produziert werden. Durch eine veränderte Darstellung von Bewertungs-Tools könnten beispielsweise ausgewogene Beiträge besser sichtbar gemacht werden. Auch ist es im Schnittstellen-Design möglich, bestimmten Nachteilen der Anonymität entgegenzuwirken. Zudem wollen wir Schnittstellen entwickeln, die eine Person dazu bewegen, sich intensiver mit Argumenten der Gegenseite zu befassen, weil auch dies zu ausgewogeneren Einstellungen beitragen sollte.
Projektbeteiligte
- Dr. Jürgen Buder, IWM
- Prof. Dr. Guido Zurstiege, Institut für Medienwissenschaft, Universität Tübingen
- Lisa Rabl, IWM